Antwortbrief der Kinder an unsere Jugendlichen

Sommer 1997

Liebe Maren, Maria, Loreen und Dorothée,

Im Namen der Kinder schreib ich euch. Mein Deutsch ist nicht einwandfrei, aber etwas besser, als die Deutschkenntnisse der Mehrheit.

Wir sind +/- im gleichen Alter wie ihr. Zwischen 8 und 16 und finden es toll, was ihr für uns tut. Wir machen auch Zeug aus Makramee, Holz und Kerzen und versuchen es hier zu verkaufen. Die Idee vom Weihnachtsmarkt ist Spitze. Wir werden es für dieses Jahr auch versuchen. Ist für hier etwas ganz Neues.

Wir gehen auch alle zur Schule, mit wenigen Ausnahmen, gehen wir gerne. Wir stehen früh auf, 5 Uhr morgens, studieren bis 12 Uhr und gehen dann nach Hause. Dort essen wir gemeinsam und helfen auf dem Bauernhof. Füttern die Tiere, machen Käse und Brot, helfen bei der Ernte und lieben es zu kochen, vor allem Kuchen und Torten. Wir essen am liebsten Bohnen und Reis mit Couve* und Hühnchen.

Wir lieben es zu zelten. Wir haben Pferdchen auf dem Hof, schwimmen gerne im Teich und in dem See, wenn es nicht zu kalt ist. Es ist jetzt Winter bei uns. Es gibt nie Schnee, aber bei 15 Grad zittern wir alle und sitzen ums Feuer.

Wir spielen gerne Fußball. Brasilien wird wahrscheinlich Weltmeister, aber Deutschland spielt auch nicht schlecht. Viel besser als die Argentinier, die spielen nur faul.

Am liebsten machen wir “Capoeira”. Das ist ein Tanz-Kampfsport, bei dem der andere nicht berührt wird. Es ist eine Überlieferung aus der Zeit der Sklaven. Die dürfen ja nicht kämpfen, aber tanzen schon! Da spielen wir “perimbul”(??) ein, Musikinstrument, bei dem man ein “Kalabas” auf den Bauch drückt und auf eine gespannte Schnur schlägt. Hört sich toll an.

Auch spielen einige von uns Blockflöte. Das machen wir mit Oscar, auch wenn er nicht viel davon versteht. Wir lieben Musik, laut und ständig (auch wenn es den Erwachsenen auf den Wecker geht). Wir hören am liebsten Musica Caipira, das ist eine Art Country-Musik aus Brasilien. Ab und zu gehen wir zu einer Show ins Dorf. Da werden immer “Stars” eingeladen, wenn es ein “Rodeo” gibt. So ein Rodeo ist toll. Außer bei Pferden und Stieren für Erwachsene dürfen wir auch mitmachen. Wir müssen Jungvieh einfangen, auf den Boden legen und fesseln. Pop und Punk ist bei uns nicht sehr beliebt, aber was ist eigentlich “Techno”? Kann man das essen?

Wir lieben Tiere – haben 4 Hunde, und es gibt Katzen, Gänse, Hühner, Pferde, ein Pony, Kühe und zwei Stiere, Truthahn, Kaninchen, Schildkröten, Papageien, Tatus* und Tucanos*. Fische haben wir auch im Teich. Wir angeln gerne. Es gibt Tilapia, Pacu, Tambacu, St. Peters, Lambari und es hat sogar Forellen gegeben. Nicht schlecht was?

Außerdem lieben wir es, Drachen zu basteln und sie steigen zu lassen. Wir nennen es “Pipas”. Es sieht schön und farbig aus, wenn da auf einmal 10 oder 15 in der Luft stehen.

Auch haben einige von uns Inline-Skates. Das ist in Brasilien so ungefähr der Traum von jedem Kind (auch wenn er nur für wenige erfüllt wird). Es gibt schon rechte Akrobaten bei uns.

Zum Schluss machen wir auch Straßentheater (ab und zu). Da machen wir Blödsinn, spucken Feuer, laufen auf Stelzen und haben einfach viel Spaß. Aber wie immer … es fehlt uns immer Zeit für viele Sachen.

Bis bald, chao und wie man in Brasilien sagt um abraço (eine Umarmung),

die Kinder vom Recanto S.F.

(*Couve = brasilianischer Grünkohl; Tatu = Gürteltier; Tucano = Tukan)

 

Originalbrief