Weihnachtsbrief

Extrema, 08.12.1995

1995-12-08_Weihnachtsbrief-BildFür den Weihnachtsmann – Frohe Weihnachten

Liebe Eine-Welt-Gruppe,

Wir freuen uns über jeden Bericht von euch. Es stärkt zu wissen, dass viele Leute sich für uns einsetzen, beten und von uns betroffen sind. Liebe hat ja nicht mit materieller Unterstützung zu tun. Es ist ein von einander betroffen sein. Zu wissen, dass wir, in Gott, alle Brüder sind. Dass wir zusammen in dieser einen Welt stehen. Dass wir alle ein Teil der Schöpfung sind und dadurch verbunden und also auch mitverantwortlich sind.

Du fragst nach unseren Mitarbeitern. Im Haus sind wir zu 5. Renata und ich und ein zweites Ehepaar, Louis und Antonia. Es war schwierig, sie zu finden. Fast alle ähnlichen Initiativen, wie die unsere, scheitern, weil man die richtigen Personen nicht findet. Die beiden haben schon erwachsene Kinder und keine Lebensansprüche. Sie möchten sich hingeben und können wie in einer Kommunität leben. Es ist, als ob man im Kloster einkehrt. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Tagesaufgaben und Privatleben. Wir haben Kost und Unterkunft und Louis und Antonia ein recht kleines Gehalt. Es ist eher Arbeit für Freiwillige. Es gibt noch Maria Jose. Sie ist 27 und ist nur tagsüber da. Sie ist die einzige Angestellte. Weiter sind es Freiwillige, die aushelfen. Jungen und Mädchen, öfters nach dem Studium, die sich für unsere Arbeit einsetzen möchten. Sie kommen normalerweise für ein halbes Jahr. Öfters sind es Ausländer. Sie sollen viel Zeit und Aufmerksamkeit für die Kinder haben. Sie arbeiten und spielen zusammen. Leben und essen zusammen. Sie sind ein Teil von unserer großen Familie … auch wenn sie wieder gehen. Wir sind also offen für ein Praktikum. Aber die folgenden Regeln müssen akzeptiert werden

  1. Kein Alkohol und Zigaretten im Heim. Nie im Beisein von den Kindern.
  2. Keine Drogen
  3. Es ist eine freiwillige Arbeit, bei der es Kost und Logie gibt.
  4. Arbeitszeiten werden an den Kindern angepasst.
  5. Ein Verhalten, mit dem man immer “Vorbild” (besonders moralisch) für die Kinder ist.
  6. Auch am Wochenende bleibt man im Heim. Abends ausgehen (in der Stadt) wird als störend gesehen. Freizeit und Reisen werden miteinander abgesprochen.

Du hast uns gefragt, was wir tun mit den Kindern, mit deren Pflege wir überfordert sind. Leider kommt es vor. Nur gute Absichten reichen nicht aus. Bis jetzt haben wir 8 Kinder weiterschicken müssen. Wir haben akzeptieren müssen, dass wir nur helfen können, wenn Hilfe erwünscht ist. Ich weiß, dass man einem Kind Zeit geben muss, aber es kommt ein Punkt, wo man einsehen muss, dass “wir” nicht mehr helfen können, ohne unsere eigenen Überlebenschancen wegzunehmen. Manchmal, und das hört sich hart an, aber könnte es auch eine Entscheidung aus Liebe und Respekt sein. Ein Kind muss erfahren können, dass es mitverantwortlich ist für seine Zukunft. In diesen Fällen haben wir aber einen neuen Platz versucht (sogar einmal eine Adoption), oder wir müssen sie zurückschicken dorthin, wo wir das Kind her haben. Ich weiß, dass einige Kinder sogar zurück auf der Straße sind. Die Kinder, die wirklich aufgenommen werden möchten von unserer Familie, sind ihren Platz sicher bis sie selbständig das Leben entgegennehmen können.

Du hast gefragt, nach dem Wunsch, Kontakte zu knüpfen mit Rumänien. Da bin ich mir nicht sicher. Wenigstens in diesem Moment nicht. Wir haben viele Prioritäten und Aktivitäten, die wir gut zu Ende führen müssen.

  1. Wir versuchen den Kindern ein Gefühl zu geben “normal” zu sein. Sie gehören zu unserer Familie und sind nicht länger mehr alleine oder bedauernswert.
  2. Aufbau von Eigenwert durch Kenntnisse aus ihrer Umgebung und Fähigkeiten für die Zukunft, um die selbständigen Überlebenschancen hier in Brasilien im Agrarbereich zu erhöhen.

Es sind einfache Kinder. Sie werden leicht durcheinander gebracht. Vielleicht später, wenn die Basis gelegt ist, wäre so ein Kontakt interessant. Hoffentlich kannst du das verstehen. Wir haben holistische Ansichten. Die werden eingeleitet mittels der Natur. Nachher ist sicher Platz für Weltprobleme und gleichartige Erfahrungen.

Die Zusammenarbeit mit euren Jugendlichen wird bestimmt möglich sein. Nur ob es zeitlich zu realisieren ist bis Ende des Jahres? (Die Kinder haben jetzt Schulabschluss mit Prüfungen.) Demnächst fangen die Ferien an. Da werden wir euch mehrere Zeichnungen zuschicken. Falls es für das nächste Jahr ist, so haben wir auch Zeit übereinzukommen, welche Themen interessant sein würden.

Ich wünsche euch im Namen der Kinder frohe Weihnachten und ein ganz friedliches und hoffnungsvolles neues Jahr.

(Damit ist die Eine-Welt-Gruppe gemeint und alle, die unsere Arbeit mit unterstützt haben.)

 

Originalbrief